SPD Vollmarshausen

1878-1918

Es ist nicht mehr feststellbar, ob vor dem Erlass des Sozialistengesetzes im Jahr 1878 in Vollmarshausen Vereine oder Vereinigungen von Arbeitern bestanden; denn mit diesem Gesetz hat Bismarck am 21.Oktober 1878 im Deutschen Reichstag die Sozialdemokratie ausschalten wollen. Sozialistische Vereine, Druckschriften und Versammlungen konnten bis 1890 polizeilich verboten werden, wenn diese sittliche, religiöse oder politische Grundlagen von Staat und Gesellschaft „untergraben" könnten.
Wir wissen aus Erzählungen, dass sich am Ende des 19. Jahrhunderts, Arbeiter, die zu ihrer Arbeitsstätte nach Kassel gingen (die Söhrebahn wurde erst 1912 erbaut) auf dem Rückweg von der Arbeitsstätte bei Weißenborns Justus (heute Gaststätte „Zum Wiesengrund") einkehrten, um nach getaner Arbeit ein Glas Bier zu trinken. In dieser Gaststätte wurde 1897 auch der „Arbeiter-Turnverein Germania" gegründet.


Fahnenweihe des Arbeiter-Turnvereins Germania 1904

Um die Jahrhundertwende gingen die ersten Arbeiter nach Crumbach, aber auch nach Kassel, um sich dort in „Zirkeln" oder „Clubs" Vorträge anzuhören und um sich selbst weiterzubilden, bzw. schulen zu lassen. Ähnlich nach dem Vorbild der Arbeiter-Bildungsvereine. Wir wissen, dass Christoph Koch und Ludwig Ebrecht in Crumbach, unmittelbar nach der Gründung in 1905, dem dortigen Ortsverein als Mitglieder beigetreten sind.
1907 zog der „Arbeiter-Turnverein Germania" in die Gaststätte Kaiser um. Hier wurde im März des gleichen Jahres der Ortsverein der Vollmarshäuser Sozialdemokratischen Partei von 16 Männern (meist Bauarbeitern) gegründet.
Diese waren: Heinrich Batz, Karl Bischoff, Philipp Bischoff, Ludwig Ebrecht, Oskar Henning, Heinrich Kaiser, Ludwig Kaiser, Bernhard Koch, Christoph Koch, Ludwig Koch, Georg Mohr, Justus Schneider, Kaspar Sehrt, Andreas Simon, Heinrich Weißenborn, Jakob Weinmeister.
Sie wählten in der Gründungsversammlung Ludwig Ebrecht zu ihrem Vorsitzenden. Er war von Beruf Zimmermann und wurde in Vollmarshausen „Dutsche" genannt. Es war in dieser Zeit nicht ganz einfach sich als Sozialdemokrat zu bekennen. Vollmarshausen war stark landwirtschaftlich geprägt und Landwirte waren bereits damals schwer von sozialen Ideen zu überzeugen.
Das preußische Drei-Klassenwahlrecht benachteiligte oberauf noch all diejenigen, die wenig verdienten und über kein Grundeigentum verfügten. Aber die sozialdemokratische Überzeugungsarbeit muss gut gewesen sein, denn nur ein Jahr nach der Ortsvereinsgründung wurde Andreas Simon bei den 1908 stattgefundenen Gemeinderatswahlen als Vertreter der Sozialdemokraten gewählt.
Andreas Simon arbeitete als Maurer und betrieb nebenbei noch eine kleine Landwirtschaft. Heute würde man davon sprechen, dass er nicht nur als Maurer die Arbeiterschaft, sondern mit dem Betreiben der kleinen Landwirtschaft auch die Verbindung bzw. Anerkennung der Landwirte fand.
Ob dies jedoch wirklich so war, ist uns nicht überliefert, denn aus Erzählungen stammt folgende Anekdote: Bei der ersten Sitzung nach der Gemeinderatswahl 1908, die in „Dippel's Wirtschaft" (Gasthof „Zum grünen Baum“) stattfand, reichten die Sitzgelegenheiten nicht aus und der für die SPD neu gewählte Gemeinderat Andreas Simon musste stehen. Ein anderes Mitglied des Gemeinderates soll gesagt haben: „Einem ungebetenen Gast wird kein Stuhl gesasst". Den Erzählungen zu Folge soll Andreas Simon, der nur ca. 50 Meter entfernt vom Sitzungsort wohnte, nach Hause gegangen sein und sich einen Stuhl geholt haben.
Bei den Gemeindewahlen 1910 erhielten bereits drei Sozialdemokraten das Vertrauen der Vollmarshäuser Wähler/innen. Andreas Simon wurde bestätigt und Christoph Koch sowie Kaspar Sehrt neu gewählt. Bei der Gemeindewahl 1912 (damals Zweijahresrhythmus) wurden die Genossen Simon, Koch und Sehrt bestätigt sowie Ludwig Kaiser als vierter Sozialdemokrat neu in den Gemeinderat hinein gewählt. Diese Zusammensetzung der SPD-Vertreter für den Gemeinderat blieb bis 1918 so bestehen. Von den politischen Aktivitäten in dieser Zeit ist wenig bekannt. Wahrscheinlich sind sie mit Beginn des ersten Weltkrieges (1914 bis 1918) zum Erliegen gekommen.

 


Andreas Simon (3.v.li) im 1. Weltkrieg

Die unruhigen Kriegsjahre nahmen auch Einfluss auf den SPD Ortsverein Vollmarshausen.
Nachdem Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Franz Mehring im Jahre 1916 in Berlin unter dem Namen „Gruppe Internationale" den späteren „Spartakusbund" gründeten, wollten 20 Abgeordnete des linken Flügels der SPD unter der Führung von Hugo Haase im Berliner Reichstag ein Zeichen gegen weitere Kriegskredite setzten. Dieser so genannte Bruch des Burgfriedens führte 1917 zu innerparteilichen Differenzen, aus welcher die Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in Gotha hervorging.
Unmittelbar hiernach schloss sich der „Spartakusbund" der USPD an. Dieser Zusammenschluss hielt nicht lange an, denn bereits Ende 1918 vereinigte sich der „Spartakusbund" und Bremer Linksradikale zur „Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD)".
Auch einige Vollmarshäuser Sozialdemokraten traten in der damaligen Zeit zu diesen Gruppen über, jedoch konnten weder USPD noch KPD in Vollmarshausen an Bedeutung gewinnen. Es ist uns überliefert, dass die aus der Mutterpartei ausgetretenen Mitglieder allesamt bis 1923 wieder Mitglied der SPD wurden.

 

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